Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 137


Der wortbrüchige, feige Rabbiner.

01] (Mathael:) ”Alle Anwesenden aber staunten vor Freuden über die unbegreifliche erbauliche Heiterkeit der Jungen des alten Lazarus. Gesehen hatte außer mir und den drei Kindern des Lazarus niemand etwas; aber aufgefallen war es dennoch gar sehr allen Anwesenden. Einige meinten, die drei müßten ein tröstendes Gesicht gehabt haben. Ein paar Pharisäer, die da auch zugegen waren, meinten, dass die Kinder ob der zu großen Trauer verrückt geworden seien; der kleine Rabbiner aber meinte, dass mein Vater sie auf irgendeine ganz geheime Art verzaubert habe.

02] Aber da fiel ich dem kleinen Mann übers Gesicht und sagte laut: "Mensch, gedenkest du denn nimmer, welche Verheißung und welches Versprechen du meinem ehrlichen Vater ins Gesicht gemacht hast?! Wie magst du nun gegen die außerordentliche Gnade Gottes also urteilen?! Gib acht, dass dich Jehova nicht augenscheinlich züchtigt! Denn du bist kein Mensch, sondern ein elendes Tier!"

03] Na, diese meine Worte aber haben einen solchen Eindruck auf den kleinen Rabbiner gemacht, dass er ebenso hippokratisch bleich wurde wie die Leiche im Bette und am ganzen Leibe zu beben begann.

04] Mein Vater bemerkte dieses, ging hin und fragte ihn, was ihm denn nun begegnet sei, dass er nun gar so leichenblaß werde. Der kleine Mann aber erzählte ihm mit bebender Zunge, was Arges ich ihm alles nun geoffenbart habe.

05] Mein Vater aber sagte zu ihm: "Es geschieht dir ganz recht! Warum bliebst du denn nicht im Glauben, den du mir so teuer angelobt hast?! Mit Gott und Seinen Geistern ist durchaus kein Scherz zu treiben! Verstehst du das? Entweder glaubst du, wenn auch nur aufs Ansehen derer, denen die vollste Erfahrung doch ewig nie abzustreiten ist, - oder du bleibst wie du warst!

06] Was du bist, das sei ganz, entweder ein Engel oder ein Teufel! Das Schlechteste des Schlechten aber ist: ein Doppelwesen sein wollen, ein Engel und ein Teufel in einer und derselben Person! Gelt, die beiden nun angekommenen Pharisäer haben dir durch ihr Eintreten den Kopf warm und das Herz glühend gemacht?! Du bekamst Furcht und fingst an, als ein früherer Anhänger der Sekte der Sadduzäer nach ihrer Pfeife zu tanzen, wie die Griechen nun ihre Bären vor uns nach ihrer Pfeife tanzen lassen; dabei aber konntest du vergessen, wem du gleichsam einen Eid gebrochen hast! Was willst du nun tun, du Elender?"

07] Der Rabbi aber bedeckte sich sein Angesicht und ging von dannen, und zog sich wahrscheinlich nach Jerusalem in seine Wohnstube zurück, um über alle seine Todsünden nachzudenken. Was da weiter mit ihm geschehen ist, weiß ich bis zur Stunde nicht; nur das einzige weiß ich, dass sowohl der Vater als auch ich ihm darauf in Jerusalem noch etliche Male begegnet sind, er uns aber stets schon von weitem jählings ausgewichen ist. Warum, ob aus Zorn oder ob aus einer Art Scheu, weiß ich ebenfalls nicht. Er kam auch nie wieder ins Haus des Lazarus, obschon er seine Zauberfläschchen dort vergessen hatte, - was für uns ein leichtes zu erfahren war, da der junge Lazarus mit seinen Schwestern uns nachher noch sehr oft besucht hat.

08] Nun, Herr, das ist die Geschichte, die ich mit meinem Vater in Bethania so treu und wahr erlebte, wie ich sie nun erzählt habe. Damals war mir natürlich alles ein unauflösbares Rätsel. Nun ist mir davon vieles verständlich, nur die zwei Erscheinungen sind mir noch jetzt ein Rätsel, und ich verstehe sie trotz Deinen nun schon sehr vielen Erklärungen nicht. Und diese zwei Erscheinungen sind: erstens das am natürlichen Himmel um Mitternacht auftauchende Lichtmeteor und die dasselbe nach Westen hin begleitenden Geister, und zweitens das ähnliche, rein geistige über dem Haupte der schon ganz frei über ihrem Leichname schwebenden Seele.

09] Auch sah ich bei dieser Seele zuvor keine so ganz eigentliche Dunstwolke, sondern nur mehr gleich eine ganz gut ausgebildete Menschengestalt, die nur mit einem sehr lichtvioletten Faden mit dem Leibe zusammenhing, der auch bald ganz abriß, worauf die Seele gleich als völlig frei mit einem blendendweißen Faltenkleide vom feinsten Bissus in der Mitte einiger weiser und mächtiger Geister dastand, wie ich's ehedem erzählt habe.

10] Wie diese Dinge und Erscheinungen wohl zusammenhängen, möchte ich, und sicher auch alle anderen, aus Deinem Munde vernehmen! O Herr, erläutere uns das!“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 4  |   Werke Lorbers