Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 240


Jarah gibt Zeugnis von Jesu Heilwundern und beschreibt Jesu Aussehen und Stimme.

01] Am Ende brachte noch einer, der noch etwas Wein im Kruge hatte, einen Gesundheitstrank dem weisen Nazaräer in folgender Weise dar: »Auch der, den wir suchten, aber leider nirgends finden konnten, soll leben von uns aus für immerdar, so er noch irgendwo lebt und in guter Sicherheit ist. Wir werden seinem Leben, das ein Heil den Menschen ist, ewig nimmer feind werden. - Oh, hätte er sich nur von uns finden lassen, wir hätten ihm den Tempel, so er noch irgend etwas darauf halten sollte, auf eine Art beleuchtet, daß er sicher sich nimmer gleich uns nach ihm sehnen würde! Da wir ihn aber nicht finden konnten, so sei ihm, dem guten Leib- und Seelenarzte aus Nazareth, dieser Segenstrank dargebracht!«

02] Bei dieser Gelegenheit kamen dem Julius Tränen in die Augen, sowie dem ganz gerührten Cyrenius. Auch die Jarah bekam Tränen in ihre Augen und die meisten Meiner Jünger. Und die Jarah sagte ganz still zu Mir: »O Herr, dürfte ich jetzt reden, was könnte und was wollte ich diesen dreißig Geretteten doch alles erzählen von Dir!«

03] Sage Ich: »Ja, wenn du Mich nicht verrätst, so kannst du schon etwas von dir geben; denn diese Geretteten werden dich mit der allergespanntesten Aufmerksamkeit anhören!«

04] Sagt die Jarah voll Freuden: »Oh, wenn also, dann werde ich gleich die Gesellschaft um Aufmerksamkeit angehen!«

05] Sage Ich: »Nun, so tue das, aber du mußt dich fest halten, daß du Mir nicht zu weinen anfängst!«

06] Sagt die Jarah: »O Herr, das werde ich schon möglichst zu vermeiden trachten!« - Nach solcher Versicherung erhob sich die Jarah und sagte mit sehr klarer und wohlvernehmlicher Stimme: »Höret, meine lieben Freunde, die ihr soeben einen Segenstrunk auf den von euch gesuchten und dennoch nicht gefundenen Heiland aus Nazareth dargebracht habt! Diesen Trunk teilte ich in meinem Herzen aus der tiefsten Tiefe meines Lebens mit euch; denn ich habe das unschätzbarste Glück gehabt, Seine Bekanntschaft, und zwar in Genezareth selbst, gemacht zu haben. Ich hin darum auch in der beseligendsten Lage, euch von Ihm, was da Seinen Charakter und Seine unerhörten Fähigkeiten betrifft, einen zwar kurzen, aber getreuest wahren Entwurf zu geben, so ihr übrigens einen solchen zu vernehmen wünschet.«

07] Sagen alle laut: »Ja, ja, holdestes Kind aus Genezareth! Fasse dich aber lieber etwas länger als leichtlich etwas zu kurz, das heißt, wenn es deine zarte Brust nur nicht etwa zu sehr anstrengt!?«

08] Sagt die Jarah: »Oh, sorget euch um etwas anderes! Meine Brust ist stark und kann schon etwas ertragen. Sehet und höret denn! So wie ihr, habe auch ich schon so manches von dem neu aufgestandenen Wunderheilande aus Nazareth gehört. Unsere Gegend aber war gleichfort eine der ungesundesten von ganz Galiläa; denn ein jeder Fremde, der dahin kam und sich dort nur ein paar Tage aufhielt, ward sicher so krank, daß er gar nicht mehr weiterzureisen vermochte. Es gab welche, die oft über ein Jahr lang dort bleiben mußten; den Einheimischen machte es weniger. So ganz kerngesunde Menschen wohl gab es nur sehr wenige; aber doch gab es unter den Einheimischen auch wenige, von denen man hätte sagen können, daß sie krank seien. Alle Reisenden vermieden darum sorgfältigst diesen Ort, und wen nicht unerläßlich dringende Geschäfte hintrieben, der kam sicher nicht nach Genezareth.

09] Als ich von dem bewußten Heilande aus Nazareth zuerst Kunde erhielt, da fing ich an, zum Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs gar inbrünstig, zu beten, daß Er den Heiland auch nach dem höchst ungesunden Genezareth möchte kommen lassen. Und sehet, ich ward bald erhört, denn der Heiland aus Nazareth kam bald darauf zu uns nach Genezareth. Und man sah einen Heiland ohne Arzneien und fragte sich geheim: >Wie wird denn der die vielen Kranken heilen?< Aber Er überzeugte uns nur zu bald, daß Er nichts als nur zu sagen brauchte: >Ich will, sei oder seid gesund!< Und sehet, in einem Augenblick wurden alle, von was für verschiedenen heilbaren oder bekannt unheilbaren Krankheiten sie auch behaftet waren, mit Blitzes schnelle derart geheilt, daß bei ihnen aber auch keine Spur davon irgendmehr zu entdecken war, als wären sie je krank gewesen! Lahme, Blinde, Taube, Krüppel, Besessene, Gichtbrüchige, Aussätzige und noch viele mit hunderterlei andern Übeln Behaftete, das war dem Heilande eins; Sein Wort und Wille heilte sie alle. Julius, ein Römer, ist nebst Hunderten Zeuge davon gewesen.

10] Er heilte aber nicht nur die Leiber der Menschen, sondern auch die Seelen und deren Verständnis, fegte den blinden Aberglauben aus den Herzen der dummen und verirrten Menschen und belehrte die Unwissenden auf eine so klare und leichtfaßliche Weise, daß sich alle darob oft noch mehr verwunderten, als über Seine Heilungen durchs Wort.

11] Endlich aber zeigte Er Sich auch als ein vollendetster Herr und Meister der Natur; denn Ihm gehorcht Wasser, Luft, Feuer und Erde, und ich möchte es sogar behaupten und das für ganz gewiß, daß sich Sonne, Mond und all die Sterne Seinem Worte nicht ungehorsam bezeigen möchten; denn die Engel der Himmel fügen sich Seinem Willen.

12] Mich hatte Er sehr lieb, wie auch ich Ihn über alles, obschon Er äußerlich eben nicht ein schöner Mann ist; denn Er ist mehr klein von Statur, und Seine Hände sind rauh und arbeitnarbig, aber Sein Kopf ist würdevoll und Sein Auge wohl das schönste, das mir je zu Gesichte kam. Auch um den Mund hat Er einen überaus freundlichen, wenn danebst auch würdevoll ernsten Zug. Die Stimme Seines Mundes aber kann man eine wahrhaft männlich hinreißende nennen; denn sie klang wenigstens für mein Ohr angenehmer als der schönste und reinste Gesang.

13] Da habt ihr nun so einen möglichst kurzen Entwurf von dem allerberühmtesten Heilande aus Nazareth vollkommen der Wahrheit getreu, wofür, wie schon gesagt, hundert der allerbewährtesten Zeugen stehen können. - Wie gefällt euch nun der Heiland, den ihr gesucht und nicht gefunden habt?«


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