Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 177


Hüttenbesitzer Markus erzählt von Tempelgreueln.

01] Der Hüttenmann, der Markus hieß, wußte uns eine Menge zu erzählen von den Pharisäern und sein wollenden Schriftgelehrten. Unter anderem erzählte er viel von den geheimen Grausamkeiten der Templer, und wie sie alsogleich jedermanns unversöhnliche Todfeinde sind, so sie bei diesem oder jenem irgendeine geistige und somit prophetische Ader nur ahnen! Es würden viele solcher geistigen Menschen ganz geheim ums Leben gebracht! Man lade sie ganz freundlichst ein, mache ihnen eine Ehrenbezeigung um die andere und drücke ihnen vor lauter Freundschaft die Hände. Seien sie aber einmal in des Tempels hintere Gemächer, die von den Hauptpharisäern bewohnt werden, gelangt, dann sei es um sie für diese Welt geschehen; denn da komme keiner mehr ans Tageslicht! Es sei, sagte weiter Markus, unbegreiflich, wie Gott solchen Greueln so lange zusehen könne. In Sodom und Gomorra sei es wohl schlecht zugegangen, aber gegen das, wie es nun in Jerusalem zuginge, wäre Sodom und Gomorra kaum das, was da ist ein Regentropfen gegen das Meer; und doch habe Gott damals trotz der vielfachen Vorbitte Abrahams diese Städte und alle andern zu ihnen gehörigen Ortschaften mit Feuer vom Himmel herab untergehen lassen! Nun aber bei dieser Masse von Greueln jeder erdenklichen Art, die in Jerusalem Tag für Tag begangen würden, tue Gott der Herr, als wüßte Er nicht darum und kümmerte Sich auch um die ganze Menschheit nicht mehr! Worin denn etwa doch solches einen Grund haben könne?!«

02] Auf solch seine ganz gute Frage sagte Ich zu ihm: »Freund, Gott weiß um alles, was da geschieht! Er kennt alle die zahl- und namenlosen Greuel der Pharisäer und Schriftgelehrten; darum aber kam Ich denn ja in die Welt, damit diese Schlangenbrut und dies Natterngezüchte an Mir Selbst ihr Greuelmaß vollmache; und wird dies vollgefüllt sein, dann erst wehe dieser argen Brut!«

03] Sagt Markus: »Ja Herr, Meister und freundlichster Wohltäter der Menschen! Wenn Dir nicht auch die Macht eigen ist, mit einem Hauche Tausende von Menschen in die andere Welt hinüberzublasen, dann bist Du sehr zu bedauern, so es Dir je in den Sinn käme, Dich in Jerusalem sehen zu lassen und dort wundertätig zu zeigen! Ich bin Dir hier zwar ein höchst schlichter Mann, verstehe aber dennoch so manches, wovon sich freilich kein Pharisäer noch je etwas hatte träumen lassen; aber ich bin dabei so pfiffig und spiele im Angesichte der Pharisäer, mit denen ich sehr oft zusammenkomme, einen so blitzdummen Teufel, daß ihnen dabei jede Spur von einer Mutmaßung, als besäße ich irgend geheime Kenntnisse, benommen wird.

04] Weil sie mich denn schon seit einer geraumen Zeit als einen unmäßig dummen Trottel kennen und der Meinung sind, man könne mir einen Steiß und ein Antlitz zeigen, und ich möchte beides kaum voneinander unterscheiden, so lassen sie mich denn auch oft ganz ungehalten hinter ihre schwärzesten Geheimnisse blicken! Und da bin ich Dir schon auf Dinge gekommen, von denen ich Dir offen gestehen muß, daß ich dabei schon einige Male total an Gottes Dasein zu zweifeln anfing! Denn ich dachte so bei mir: >Wenn es einen allmächtigen, höchst weisen, gerechten und guten Gott gibt und Ihm an der Menschheit, wie uns die Schrift lehrt, etwas gelegen ist, so ist es Ihm ja unmöglich, solchen Greueln zuzusehen! Es gibt keinen Gott! Der Mensch ist nach Plato ein Abkömmling des Affen dem Leibe nach, und der Seele nach ein Abkömmling der reißenden Bestien. Darum muß an der Spitze einer starken Gemeinde ein starker und weiser Simson stehen, der dem zusammengesetzten Tiere, das sich Mensch nennt, mit der schärfsten Zuchtrute das Doppeltierische herunterfegt und ihn nach Jahren insoweit zahm macht, daß er nur wenigstens ein halber Mensch wird!<

05] Mit solchen und oft noch ärgeren Gedanken beschäftigte sich mein Gemüt, wenn ich mit oft denn doch zu entsetzlich greuelhaften Geheimtaten der von Dir ganz richtig bezeichneten Schlangenbrut zusammenkam! Darum, wie gesagt, Herr und Meister, liegt es Dir daran, bald aus dieser Welt auf die grausamste und schmerzvollste Art befördert zu werden, da ziehe Du immerhin nach Jerusalem, und Du wirst es erfahren, daß ich Dir die vollste Wahrheit gesagt habe, ohne irgendein besonderer Prophet zu sein!

06] Um Dir nur so einen kleinen Geheimzug, der aber die Heiligkeit des Tempelmistes schon ums wenigstens Tausendfache übertrifft, kundzutun, erzähle ich Dir nur so ganz kurz, was ich erst vor kurzem selbst erlebt habe. Wer aber diese Schwarzbrut auf solchen übersatanischen Gedanken gebracht hat, ist mir nicht bekannt. Der Satan sicher nicht, - denn so weit kann sein Argsinn nicht reichen!«


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