Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 65


Sagen von Berggeistern. Über Zauberei.

01] Sagt Kisjonah: »Ja, Herr, ich habe sie ganz verstanden, und das um so mehr, weil mir von meinen Bergleuten, die in meinen Bergschächten allerlei Erz graben, solche Dinge schon gar oft erzählt worden sind, wie ihnen manchmal Brot und Wein weggekommen sei und sie nicht wußten, wer unter ihnen sich etwa solch einen Diebesscherz mochte gemacht haben! Wenn die hungrigen Bergleute dann recht ärgerlich wurden, so vernahmen sie nicht selten ein schallendes Gelächter, und einige von ihnen wollen auch kinderkleine Menschengestalten vor ihnen herhüpfen gesehen haben, und zwar der Farbe nach blaue, rote, grüne, gelbe und auch ganz schwarze.

02] Also erzählte mir auch erst unlängst mein ältester Bergmann, daß ihm ein blaues Männchen geraten haben soll, künftighin Brot und Wein bei sich in einer umgehängten Ledertasche zu tragen, so würden sich die hungrigen Berggesellen desselben nicht bemächtigen können. Und also solle auch niemand in den Schächten der Berge zu laut reden, durchaus nicht pfeifen oder gar fluchen; denn alles das möchten die Berggesellen nicht vertragen und täten darum allen jenen, die solches Gebot nicht halten möchten, Übles! Auch solle niemand lachen in der Berge Tiefe; denn das Lachen könnten die Gesellen auch nicht vertragen. So meine Bergleute manchmal Brot und Wein den Berggesellen überlassen wollten, so würden ihnen dafür die Berggesellen in reicher Auffindung edler Metalle behilflich sein.

03] Ich hielt solche Sagen gewöhnlich für Fabeln, da ich selbst nie etwas Ähnliches erfahren konnte, obschon ich recht oft die Schächte meiner Berge betreten habe; aber jetzt, nach dieser Deiner gütigen Erklärung, ist mir alles auf ein Haar klar! Nur dies einzige kann ich wenigstens für den Augenblick noch nicht fassen: wie denn die Berggesellen, die doch eigentlich Geister sind, eine naturmäßige Kost verzehren können! Wie essen und trinken denn diese etwas unheimlichen Wesen?«

04] Sage Ich: »Ungefähr auf diese Weise, wie das Feuer die Dinge verzehrt, die es ergreift! Gib in selbes einen Tropfen Wein oder vom Brote ein Bröckchen, und du wirst beides schnell verschwinden sehen! Und siehe, auf diese Weise ungefähr verzehren die Geister oder Berggesellen die naturmäßige Kost. Sie lösen das Materielle schnell auf und verkehren das in der Materie vorhandene Geistig-Substantielle in ihr seelisches Wesen, es aufnehmend in ihr Selbstiges, - und das in einem Augenblick! - Nun weißt du auch das und brauchst dich darüber um nichts weiteres mehr zu bekümmern.«

05] Sagt Kisjonah: »Herr, ich danke Dir für diese Mitteilung; denn sie erheitert nun mein ganzes Gemüt, und ich erkenne nun noch klarer, daß da alles nichts als pur Leben ist, was mich von allen Seiten umgibt.«

06] Sage Ich: »Ganz gut, Mein geliebtester Freund! Aber nur um das bitte Ich dich, daß du wie jeder, der davon nun Kenntnis erhielt, die Sache bei sich behalten möchte, denn so etwas ist nicht für jedermann heilsam, wenn er es wüßte; denn all die ägyptischen und persischen Zauberer stehen nicht selten im Verbande mit den Geistern und Kobolden und führen mit ihrer Hilfe allerlei Zaubereien aus. Aber alle solche Zauberei ist ein Greuel vor Gott, und der sie übt, fürwahr, der wird schwerlich je ins Reich Gottes kommen! Denn solche Zauberer versperren obbenannten Geistern den Eintritt ins Fleisch; und wenn sie sterben, werden sie zu Gefangenen solch unreifer Seelen und sind überaus schwer davon zu befreien, weil sie gleichfort Naturmäßiges von den unreifen, nackten Naturseelen in sich aufnehmen. Ich sage es euch: Verflucht sei ein Zauberer! Denn noch nie ist erlebt worden, daß ein wahrer Zauberer mit seiner Zauberei irgendeinen nur halb guten Zweck verbunden hätte! Überall sieht bergedick die bellendste Hab- und Gewinnsucht, daneben aber auch die frechste Herrschgier heraus, und solche Geister sollen in der tiefsten Hölle ihren demütigenden Lohn erhalten!«

07] Sagt einmal Faustus: »Herr, Herr, da wird es mit den vielen Zauberern und Wahrsagern im weiten römischen Reiche schlecht aussehen! Denn diese Art Menschen stehen eben in Rom in einem götterähnlichen Ansehen und vermögen mit einem Worte den Willen des Kaisers sowie jedes noch so großen und tapferen Helden zu erlahmen, im Gegenteile freilich auch wieder so zu beleben, daß vor seinem Mute die Berge erbeben müssen!«

08] Sage Ich: »Ja, Freund, diesen halbgöttisch tuenden Menschen wird es dereinst wohl nicht am besten ergehen; denn sie wissen es, daß sie die in ihre Kunst nicht Eingeweihten auf das schmählichste betrügen und sie durch solche Betrügereien nicht selten zu allerlei Greuel verleiten. Darum aber kann es solchen Wichten auch nimmer gut ergehen; denn das sind die wahren Nichtsverkäufer um vieles Geld und die echten Erzeuger von zahllosen Greueln und Sünden zum Verderben der Menschen!«

09] Sagen mehrere: »Aber wenn sie sich besserten, könnten sie auch dann nicht selig werden?«

10] Sage Ich: »Ja, ja, wenn sie sich besserten, dann könnten auch sie selig werden; aber das ist eben das Traurige, daß eben derart Menschen am wenigsten zur Besserung geeignet sind! Mörder, Räuber, Diebe, Hurer und Ehebrecher möget ihr bekehren, und ein Kaiser, ein König kann leicht seine Krone niederlegen; aber ein Zauberer trennt sich nicht von seinem Zauberstabe! Denn seine unsichtbaren Gesellen lassen solches nicht zu und sind allzeit seine Meister, wenn er sich von ihnen trennen wollte.

11] Darum sage Ich noch einmal: Verflucht sei die böse Zauberei; denn durch sie kamen alle Sünden in die arge Welt!

12] Wer Wunder wirken will, der muß dazu die innere Kraft von Gott aus haben; und dann wirke er nur dort ein Wunder, wo es die äußerste Notwendigkeit erheischt!

13] Wer aber falsche Wunder wirkt und durch allerlei Sprüche und Zeichen einen Wahrsager macht, der braucht nicht mehr verdammt zu werden, denn er ist schon vollauf verdammt durch seinen eigenen Willen. Darum hütet euch alle vor der argen Zauberei sowie vor der Wahrsagerei; denn solches alles ist vom größten Übel für den Geist des Menschen!«

14] Nach diesen Worten waren alle, die sie vernommen hatten, nahe durch und durch erschreckt und fragten, ob man denn auch nicht auf die aus uralten Erfahrungen verläßlichen Witterungsvorzeichen halten solle.

15] Sage Ich: »O ja, dann, wenn sie auf einer rein wissenschaftlichen berechenbaren Basis ruhen; ist aber das nicht der Fall, so ist auch solches eine Sünde, weil der Mensch dabei einen zweiten Glauben, der den reinen Glauben an die alleinige göttliche Vorsehung schwächt, annimmt und am Ende mehr an die Zeichen als an den allein wahren, allmächtigen Gott glaubt.

16] Wer beim reinen Glauben bleibt, der darf bitten, und es wird ihm gegeben werden, um was er gebeten hat, und möchten auch die durch Erfahrung erwahrten (bestätigten) bösesten Zeichen der Erde und der Luft das schroffste Gegenteil anzeigen; wer sich aber auf die Zeichen verläßt, dem solle auch nach den Zeichen werden. Die Pharisäer halten auf die Zeichen und lassen sich ums teure Geld von den Menschen befragen darum; sie werden aber dereinst auch desto mehr Verdammnis überkommen!

17] Hat denn nicht Gott alles, was da den Menschen zum Zeichen dient, erschaffen? Wenn aber das alles Gott erschaffen hat, so wird Er wohl bleibend Herr darüber sein und wird alles leiten und lenken! So aber Gott allein der Herr und der Lenker aller geschaffenen Dinge und Erscheinungen ist, wie sollen dann diese ohne Ihn etwas anzuzeigen haben? Können sie aber solches unmöglich je, so bitte der Mensch Gott, der allein alles vermag, ob nun die Zeichen so oder so stehen! Ist das nicht tröstlicher denn tausend der allerverläßlichsten Zeichendeutereien?«

18] Sagen alle Anwesenden an Meinem Tische: »Herr, das ist gewiß und wahr! Wolltest Du doch auch machen, daß die ganze Welt also dächte und täte, dann sähe es in der Welt anders aus, als es nun aussieht! Wir hier um Dich Versammelten aber haben es nun freilich leicht, da wir Dich als den Grund alles Seins und Erscheinens bei der Hand haben; aber nicht also wie uns geht es gar vielen hunderttausendmal Tausenden, die das unschätzbar große Glück nicht haben, in Deiner allerheiligsten Gesellschaft zu sein und aus Deinem Munde zu vernehmen die Worte des Lebens! Diese sehnen sich sicher auch gleich uns nach dem, von dem die ganze Schöpfung ein nur zu lautes Zeugnis gibt; aber ihre Blicke zu den Sternen entdecken Dich nimmer, und ihre große Sehnsucht wird nicht befriedigt. Was Wunder, daß bei solchen Menschen dann die wundertätigen Zauberer und Zeichen und deren Deuter nur zu leicht Anklang finden, weil sie den nach göttlichen Dingen sehnsüchtigen Menschen etwas bieten, das, wenn auch falsch, aber dennoch immerhin einen gottähnlichen Anstrich hat!?«


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