Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 01, Kapitel 110


Judas als Vielfraß und Töpferhändler. Pharisäerbesuch aus Kapernaum. Jairus, der Synagogenvorsteher.

01] Wir setzen uns zum Mahle und fangen an, dasselbe ganz wohlgemut und heiter zu verzehren, als der Judas zur Tür hereintritt und uns ordentlich vorzuwerfen beginnt, warum wir nicht zu ihm einen Boten geschickt hätten, indem wir doch wissen sollten, dass er viel zu tun habe und sich nicht immer erkundigen könne, wann wir zum Mahle gingen! Denn er meine, dass auch er zu unserer Gesellschaft gehöre! Thomas wird auf diese Rede ganz grimmig und sagt: »Herr, jetzt hat es mit meiner Mäßigung ein Ende! Er muß einmal wieder meine Fäuste verkosten!«

02] Sage Ich: »Laß das gut sein! Hast denn du das nie gehört, daß, wo unter einem Dache zwölf Engel hausen, der zwölfte ein verkappter Teufel ist?! Laß ihm seine Freude; denn diesen änderst du nicht!« Thomas setzt sich, und Judas geht ohne Mahl weiter.

03] Als wir darauf weiter das gut bereitete Mahl verzehren, so kommt der Judas wieder, gibt uns gute Worte und bittet, dass er was zu essen bekäme; denn in der Stadt sei nirgends etwas zu bekommen, da die vielen Gäste bereits alles Vorbereitete aufgezehrt hätten!

04] Sage Ich: »So gebt ihm was zu essen!« Und der Bruder Jakob gab ihm Brot, Salz und einen ganzen, großen wohlzubereiteten Fisch. Und Judas verzehrte den ganzen, bei sieben Pfund schweren Fisch und darauf viel Wasser, dass es ihm darob etwas unwohl ward; da fing er an, sich zu beklagen, und meinte, dass der Fisch verlegen war, was ihm allzeit Schaden brächte im Magen.

05] Thomas aber ward schon wieder ärgerlich und sagte zu Judas Ischariot: »Du bist doch immer derselbe alte ungeschlachte und grobe Mensch, der du allzeit warst; gehe hinaus in die Speisekammer und siehe, ob unsere Fische verlegen sind! Wenn du heißhungrig gleich einem Wölfe sogleich einen sieben Pfund schweren Fisch verschlingst, einen ganzen Krug, der für zwanzig Menschen genügt, voll Wasser dazu trinkst und dabei noch einen eben nicht zu kleinen Laib Brot verzehrst, so mußt du ja ein Drücken in deinem Magen verspüren! Wenn's dich aber schon gar so schmerzt, so haben wir ja den besten Arzt in unserer Mitte; bitte Ihn, so wird Er dir wohl helfen!«

06] Sagt Judas Ischariot: »Ihr seid ja alle toll auf mich und sagt, dass ich ein Teufel sei; wie werdet ihr mir als einem Teufel glauben wollen, dass ich leide, und wie helfen?!«

07] Sagt Thomas: »Warst du nicht bei uns bei den Gergesenern und hast es nicht gesehen, wie der Herr dort auch der Teufel Bitte erhörte und ihnen gestattete, um das sie gebeten haben?! So du im Ernste dich für einen Teufel nun hältst, so bitte denn wie ein Teufel, und es wird sich dann wohl irgend eine Sauherde vorfinden, in die du fahren kannst, so der Herr deine Bitte erhören wird!«

08] Sagt Judas Ischariot: »Ah, du meinst es mit mir wahrlich gut; das hätte ich nie geglaubt, dass ich an dir einen so guten Freund hätte! Sieh, ich werde aber dennoch Jesus, dieses Hauses Sohn, bitten um eine rechte Hilfe und werde sehen, ob Er mich wie du in eine Sauherde zu fahren nötigen wird!« Hier wendet sich Judas an Mich und trägt Mir seine Not vor. Ich aber sage »Gehe hin zu deinen Töpfen; dort wird es schon besser werden mit deinen Magen!«

09] Judas geht und bemerkt im Vorbeigehen dem Thomas: »Also doch nicht in eine Sauherde!« Sagt Thomas: »Aber eben nicht um vieles besser! Denn deine Töpfe sind so gut eine Wucherware für dich, als die Säue für die Gergesener!« Judas sagt darauf nichts und entfernt sich schnell.

10] Aber bald darauf kommen drei Pharisäer aus Kapernaum ins Haus und fragen, ob Ich daheim wäre. Als man ihnen sagt, dass Ich wohl zu Hause sei, treten sie sobald in den Speisesaal und fragen da wieder nach Mir; denn sie kannten Meine Person nicht.

11] Ich aber sage mit voller Kraft: »Ich bin's! Was wollt ihr, dass Ich euch tun soll?«

12] Sie entsetzten sich aber über solche Meine Anrede so sehr, dass sie nicht weiter mehr um etwas zu fragen sich getrauten; denn Mein kräftig Wort machte in ihren Herzen die Wirkung, als wären sie vom Blitze getroffen worden! - Und Ich fragte sie abermals, was sie wollten.

13] Da tritt einer hervor und sagt mit sehr ängstlicher Stimme: »Guter Meister!«

14] Ich aber sage: »Was heißest du Mich gut?! Weißt du denn nicht, dass außer Gott niemand gut ist?!« Sagt der Pharisäer: »Ich bitte dich, sei doch nicht so hart gegen mich; denn ich bedarf deiner erprobten Hilfe!« Sage Ich: »Geh und halte Mich nicht auf; denn Ich will heute nachmittag ans Meer hinabgehen und dort Fische fangen. Dort wirst du Mich treffen!«

15] Mit dem Bescheid entfernten sich die drei. Der aber mit Mir redete, war ein Oberster der Schule und Synagoge zu Kapernaum und hieß Jairus.



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