Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 163. Kapitel: Jesus und die Pharisäer vor dem Stadttor.

01] Während solcher Meiner Belehrung kamen wir denn wieder einer alten, zumeist von Römern, aber auch von Griechen und Juden bewohnten Stadt in die Nähe, und da wollte - wie man zu sagen pflegt - das Glück oder Unglück, wie man es nennen will, daß wir zuerst mit mehreren Juden und darunter mit einigen Pharisäern zusammentrafen.

02] Und die Pharisäer erkannten Mich und sagten zu den Juden: »Seht, da kommt sicher mit seinen Jüngern eben derjenige Nazaräer, der beim letzten Fest mehrere sogenannte Wunder wirkte, die er wahrscheinlich in der Schule der Essäer erlernt hat, dann im Tempel das Volk lehrte und sich für älter ausgab als Abraham und noch manches andere mehr!

03] Es ging ihm damals sehr knapp, daß er nicht völlig gesteinigt worden ist; denn wir wurden dadurch sehr aufgeregt, da wir es einsahen, daß er sich vorgenommen hatte, uns vor dem Volke als Blödsinnige hinzustellen.

04] Zugleich behauptete er überall, daß er Gottes Sohn sei, und seine Jünger und auch viel Volkes glauben ihm das. Er hält aber dabei nichts auf den Sabbat, ist ein Fresser und Vollsäufer und geht mit Zöllnern und Sündern um; uns aber, die wir an den Satzungen Mosis halten, schmäht er allenthalben und vertröstet uns bei jeder Gelegenheit mit der ewigen Verdammnis.

05] Daß wir einem solchen Menschen nicht freund sein können, ist begreiflich, zudem wir nur zu gut wissen, wo er her ist, wer seine Eltern und seine Brüder und Schwestern sind.

06] Er ist dabei aber durchaus kein Narr; denn er versteht sich sehr wohl darauf, durch seine Reden und Wunderwerke die Heiden - als Römer und Griechen - für sich zu gewinnen, um dann mit ihrer Hilfe uns zu stürzen. Aber dies sein Vorhaben wird ihm nicht gelingen! Gar zu oft darf er nicht nach Jerusalem kommen, sonst werden wir ihm seine Gottessohnschaft auf eine Weise austreiben, die ihm wahrlich nicht gefallen wird.

07] Er treibt sein Unwesen nun hier in diesen Heidenstädten sicher auch - nur in dieser Absicht, um ihre Einwohner soviel als möglich gegen uns zu hetzen. Er wird aber damit schlechte Geschäfte machen, denn Jerusalem wird Jerusalem bleiben, wenn auch tausend derartige Gottessöhne, wie er einer ist, dagegen wären.«

08] Diese letzten Reden und Worte konnten auch schon Meine Jünger völlig vernehmen, da wir in der Zeit der Gesellschaft schon sehr nahe gekommen waren, und hielten sich auf über Mich, wie Ich solches doch dulden und vertragen könne.

09] Ich aber sagte zu den Jüngern: »So es euch denn schon gar so ärgert, daß diese Mir ein gar so arges Zeugnis geben, da geht hin und verbindet einem jeden den Mund, auf daß er nicht weiterreden kann! Ich meine, das würde euch eine sonderbar schwere Arbeit werden; leichter für uns ist es aber in jedem Falle, an ihnen ganz stumm vorüberzugehen.

10] Lassen wir die Hunde bellen; denn solange sie bellen, beißen sie nicht! Werden sie uns aber anfallen beim Vorübergehen und beißen wollen, da werden wir ihnen dann wohl auch zeigen, daß unser Mund nicht ohne Zähne ist und unsere Hände nicht ohne Nägel!«

11] Solche Meine Worte beruhigten Meine Jünger zum größten Teil, aber in ihrem Innern kochte es dennoch, so daß einige nahe Lust bekamen, diesen Juden und etlichen Pharisäern auch etwas zu sagen, das ihnen eben nicht gar zu lieb gewesen wäre; sie ermannten sich aber dennoch und folgten Meinem Beispiel.

12] Wir kamen bald ganz zu ihnen und sahen gar nicht hin nach dem Platze, wo sie standen, und gingen an ihnen ganz still vorüber.

13] Diese Juden und Pharisäer aber trieb die Neugierde, zu sehen und zu beobachten, was wir etwa in dieser Stadt machen würden. Bevor wir aber das Stadttor erreichten, kamen uns zwei Pharisäer beschleunigten Schrittes, gerade am Tor in die Stadt uns den Weg vertreten wollend, entgegen.

14] Und einer, der Dismas hieß, fragte Mich ganz barsch, was Ich hier in dieser Stadt zu tun hätte, ob Ich in ihr verbleiben oder bloß durchreisen werde.

15] Und Ich sagte zu ihm: »Bist du denn ein Stadtrichter hier, dem allein es zukommt, die Reisenden zu erforschen, was sie in diese Stadt geführt hat, und sich ihre Reisebriefe vorweisen zu lassen?«

16] Da sprach dieser Pharisäer: »Ich bin kein Stadtrichter, aber ich bin nun ein Oberster der Judengemeinde hier und habe als solcher auch das Recht, die Reisenden zu befragen, zu welchem Zwecke sie in diese Stadt gekommen sind, - und dich und deine Gesellschaft schon ganz besonders, weil ich dich von Jerusalem aus kenne und nur zu wohl weiß, daß du unser Freund nicht bist und auf unsere alten Satzungen nichts hältst, weil wir das nicht annehmen können und wollen, was zu sein du vor uns und dem Volke nur schon zu oft laut vorgebracht hast.

17] Wir wissen wohl, daß du viel verstehst und weise reden kannst und imstande bist, Zeichen zu wirken, die alle Menschen ins höchste Erstaunen setzen; aber du bist dabei unser Feind und suchst uns zu verderben, die wir am alten Gesetze halten. Siehe aber zu, ob dir am Ende deine Absicht gelingen wird; denn deine von den Essäern erlernten Wunderzeichen werden bald durchschaut werden und es wird sich dann schon zeigen, was du weiter vermögen wirst!

18] Die Heiden magst du wohl damit betören, aber uns alte Nachkommen Abrahams nicht. So du aber schon wirklich etwas Göttliches vermagst, so, wirke nun vor uns ein Zeichen, und wir wollen glauben, daß du mehr vermagst denn alle Essäer und andere Zauberer der Erde, und daß du wirklich erfüllt bist mit dem Geiste Gottes!«

19] Sagte Ich: »Ich habe vor euch der großartigsten Zeichen schon in großer Menge gewirkt, die nie ein Mensch auf dieser Erde gewirkt hat, und ihr sagtet, daß Mir dazu Beelzebub als der Teufel Oberster behilflich sei. So ihr solch eines Glaubens seid und mit solch einem Glauben auch eure Vorfahren die alten Propheten beinahe alle gesteinigt und getötet haben, weil sie auch von ihnen behaupteten, daß sie den Teufel hätten und mit seiner Hilfe weissagten und Zeichen täten, - wie sollte da in euch ein Licht sein, um die Wahrheit Meiner Lehre und Meiner Taten zu erkennen?

20] Ihr habt den Beelzebub zu eurem Vater und lehrt und handelt nach seiner Eingebung, was Ich nur zu wohl erkenne. Ich kam aber darum zu öfteren Malen zu euch, um euch aus seinen Fesseln zu befreien; aber euch gefällt es besser, Diener des Teufels zu verbleiben, als Diener des einen und allein wahren Gottes zu werden, den ihr nicht kennt und noch nie erkannt habt. Und so bleibt denn bei eurem Dienste; Ich aber werde verbleiben bei dem Meinen und werde in aller Bälde offenbar machen vor aller Welt Augen, wer ihr seid, und wer Ich bin. Und nun laßt uns gehen, und gehabt euch wohl im Namen dessen, dem ihr dienet!«

21] Diese Meine Worte beleidigten diese Pharisäer in einem so außerordentlich hohen Grade, daß sie Mich samt Meinen Jüngern alsogleich auf das Stadtrichteramt führen wollten.

22] Ich aber sagte zu ihnen: »Der Herr bin Ich und werde tun, was Ich will; seht aber zu, daß ihr nicht eher denn Ich mit dem Stadtrichteramte dieser Stadt zu tun bekommen werdet!

23] Ich kam mit Meinen Jüngern ganz still zu euch und wollte niemandem von euch auch nur mit einem einzigen Worte oder einer Miene zur Last fallen, obschon Ich schon aus einer ziemlichen Ferne vernahm, welch lose Reden ihr über Mich untereinander geführt habt, und hätte somit das Recht gehabt, euch zur Rede zu stellen, wer euch hier in der Fremde berechtigt hat, über Mich Bemerkungen zu machen, die Mir und keinem Meiner Jünger gefallen konnten. Und so sage Ich euch nun noch einmal, daß Ich der Herr bin und die Macht habe, diese Stadt zu betreten und Mich daran von euch nicht hindern zu lassen; sollte euch das nicht genügen, und wollt ihr bei eurem Vorhaben verbleiben, so werde Ich demselben wirksam entgegenzutreten imstande sein!«

24] Auf diese Meine Worte sagte Dismas, dem die Sache doch etwas zu Herzen ging, zu seinem überaus hartnäckigen Gefährten: »Lassen wir diese in Gottes Namen ziehen! Wir aber kehren einfach zu unserer Gesellschaft wieder zurück; denn ich will mit derlei Menschen, die im Besitze geheimer Kräfte sind, weiter nichts zu tun haben! Handeln sie wider den Willen Gottes, so wird Gott sie schon zur rechten Zeit zu ihrer Züchtigung zu vernichten verstehen; sollten sie aber dennoch etwa irgend nach dem Willen des Allmächtigen handeln, so werden wir gegen sie nichts auszurichten imstande sein.«

25] Der Gefährte des Dismas aber wollte sich nicht daran kehren, sondern berief die andern langsam hinterdrein Gehenden, daß sie ihm zu Hilfe kommen und mit ihm Mich und Meine Jünger auf das Stadtrichteramt bringen sollten.

26] Und Ich sagte: »Bis hierher und nicht weiter mit eurem Beelzebubsgrimme gegen Mich und Meine Jünger! Ich werde euch bis zum morgigen Tage Wächter stellen, die euch bei keinem Tore in diese Stadt hineinlassen werden; und in diesen Wächtern soll auch das Zeichen, das ihr von Mir verlangtet, bestehen, und ihr werdet daraus hoffentlich erkennen, daß Ich vollkommen der Wahrheit nach ein Herr über alle Kreatur auf dieser Erde bin und auch noch ein Herr unendlich weiter hinaus, als ihr je zu denken vermögt. Ich will, und so geschehe es!«

27] In diesem Augenblick standen schon vierzehn große und grimmige Löwen vor den uns nachfolgenden Juden, und einer von ihnen packte den hartnäckigen Gefährten des Dismas und trug ihn zu seinen Gefährten zurück.

28] Dismas aber fiel vor Mir nieder und bat Mich, seiner zu verschonen, indem er für sich über Mich einer ganz andern Meinung sei, und daß er schon zu öfteren Malen, soviel als es möglich war, zu Meinen Gunsten habe Worte fallen lassen im Hohen Rate; aber es hieß das Öl ins Feuer gießen und am Ende notgedrungen mit den Hunden zu bellen. Jetzt sollten diese seine halsstarrigen Gefährten den Löwen etwas vorbellen, und diese würden sich schwerlich fürchten vor ihrem Gebell.

29] Und Ich sagte zu ihm: »Ziehe vor uns in die Stadt, und führe uns in eine rechtschaffene Herberge; dann magst du dich zum Stadtrichter Titus begeben und ihm sagen, daß Ich in jener Herberge auf ihn warte.«

30] Dismas dankte Mir, stand auf und führte uns alsogleich in eine naheliegende Herberge in dieser Stadt.



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