Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 112


Häusliche Ordnung und Liebe.

01] Als wir ins Haus kamen, da wollten die Kinder auch in Meiner Gesellschaft verbleiben.

02] Da aber Ebahl eine strenge Hauszucht hielt, so verwies er, besonders den Mädchen und den beiden Weibern, solches und sagte: »Ihr habt nun gesehen, erfahren und gehört genug; behaltet das und tut danach, so werdet ihr nicht ohne Segen verbleiben, wie es euch der Herr Selbst draußen am Meere verkündet hat. - Nun aber gehet wieder an eure Arbeit!«

03] Die Mädchen und die beiden Mütter beurlauben sich mit wehmütigem Herzen und begeben sich in ihre Gemächer, deren das Haus Ebahls viele hatte; denn es war wohl das größte Haus in ganz Genezareth.

04] Ich aber sage darauf zu Ebahl: »Freund, warum schaffest du sie denn fort? Siehe, es ist wohl recht, eine strenge und gute Hauszucht bei den Kindern zu halten, und sehr lobenswert ist es, die Mädchen vor der Welt zu verwahren; aber siehe, hier, wo Ich bin, ist keine gefahrdrohende Welt, sondern ein segenvollster Himmel nur, und den sollst du deinen Kindlein nicht mißgönnen!«

05] Als Ebahl solches von Mir vernahm, sagte er: »Oh, wenn sie nur Dir nicht lästig sind, so will ich sie gleich wieder hierherbringen lassen! Aber meine Kinder gaffen und plaudern gern, und so schaffe ich sie fort, auf daß sie Dir nicht lästig seien.«

06] Sage Ich: »Was auf der Welt gäbe es außer der großen Bosheit der Menschen, das Mir lästig werden könnte? - Gehe und bringe sie alle wieder hierher!«

07] Ebahl ging und brachte sie alle wieder zu Mir, und das jüngste Mägdlein setzte sich flugs zu Mir hin und fing an, Mich zu kosen und zu herzen.

08] Ebahl aber verwies es ihr und sagte, daß solches eine Unart wäre.

09] Ich aber sagte zu ihm: »Freund, laß ihr das; denn sie hat sich schon den allerbesten Teil erwählt! Ich sage es dir und euch allen: Wer nicht zu Mir kommt wie dies Mägdlein, wird den Weg ins Reich Gottes nicht finden! Dieses aber hat ihn bereits gefunden! Mit Liebe, und das mit heißester Liebe, müßt ihr zu Mir kommen, so ihr das ewige Leben ernten wollet!

10] Dies Mägdlein beweist es in der Tat, was es im Herzen fühlt; ihr aber machet kluge Reden und haltet kühl euer Herz! Fällt es euch denn noch nicht bei, wer Ich sein könnte und auch wirklich bin?«

11] Hier fallen alle nieder, und Ebahl ergreift Meine Füße und küsset sie klein ab und sagt nach einer ganz von Ehrfurcht verwirrten Weile: »Herr! Gefühlt habe ich es schon lange, nur fehlte mir der Mut dazu!«

12] Sage Ich: »Nun, so strafe das Mägdlein nicht, das euch allen den Mut machte, zu Mir aufs Wasser zu kommen! Hier aber hat sie euch wieder den Mut gemacht, Mich zu lieben! Oh, dies Mägdlein ist denn aber auch Mir überaus lieb! Es hat schon, was ihr noch zu suchen habt und nicht sobald finden werdet! Bestrebet euch aber der wahren, lebendigen Liebe zu Gott und dem Nächsten, so werdet ihr der Gnade und des Segens in Fülle haben!«

13] Sagt der Hauptmann: »Herr, ich habe außer zu meinem Weibe und meinen etlichen Kindern, die sich in Rom befinden, nie eine Liebe zu jemandem gefühlt, handelte aber stets redlich nach Recht und Billigkeit. Ich handhabte das Gesetz nie nach dessen Schärfe, sondern stets mehr nach dessen Milde und bin dabei stets gut ausgekommen. Aber jetzt fühle ich es, daß man die Menschen lieben und ihnen aus Liebe Gutes erweisen kann, das heißt: Man kann selbst wollen, den Menschen nach Kraft und Möglichkeit das angedeihen zu lassen, was man gegen sich selbst als recht und notwendig erkennt, - und das ist Liebe zum Nächsten.

14] Nun, wenn man den Nächsten also liebt, so liebt man dadurch ja auch schon Gott; bedenkt man aber bei der Liebe zu Gott, daß Gott Selbst die erste und vollkommenste Liebe sein muß, der zufolge allein Er die Sinnen- und Geisterwelt erschaffen hat, so muß dieser klare Gedanke ja notwendig die höchste Liebe zu Gott dem Schöpfer im geschaffenen Menschen erwecken, und der Mensch kann dann ja nicht mehr umhin, Gott, als den liebevollsten Schöpfer aller Dinge, über alles aus allen Kräften, die ihn beleben, zu lieben.

15] Da ich nun aber nach allem dem, was ich von Dir die paar Tage hindurch gesehen und gehört habe, ohne allen Zweifel annehme, daß Du entweder der Urschöpfer Selbst oder doch sicher Sein Sohn von Ewigkeit her bist und Dich uns hier auf der Erde in unserer Form zeigst und uns lehrst, Gott und Dich zu erkennen, so ist es ja eine notwendige Folge, daß auch ich Dich über alles lieben muß. Habe ich auch den Mut nicht, Dich so zu herzen wie dies wahrlich überzarte Mägdlein, so umarme ich Dich aber dennoch im Herzen und preise Dich über alles! Und ich meine, daß es also auch recht ist.«

16] Sage Ich: »Es ist ganz recht also; aber besser ist es, wenn die Liebe also wächst wie bei diesem Mägdlein! - Sehet sie nur an, ob sie nicht förmlich glüht vor Liebe zu Mir!«


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